Von Gerd Bendas / Chronisch entzündliche Darmerkrankungen verursachen tiefe Einschnitte in die Lebensqualität der Patienten und erfordern eine lebenslange Pharmakotherapie. Das Spektrum der Wirkstoffe ist überschaubar, aber effizient und wurde in den letzten Jahren durch Innovationen bereichert. Dieser positive Trend wird sich in absehbarer Zukunft fortsetzen.
Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn (MC) sind die prominentesten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) – bei steigender Inzidenz. Zwar unterscheiden sich die Krankheitsbilder hinsichtlich ihrer Lokalisation und Ausbreitung innerhalb des Gastrointestinaltrakts, aber beide sind schubförmig und progredient verlaufende Entzündungen unbekannter Ätiologie und bislang nicht heilbar.
Heftige Bauchschmerzen sind typische Symptome der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
Vor allem die nicht vorhersehbaren Schübe belasten die Patienten enorm und schränken die Lebensqualität deutlich ein. Viele Patienten sind bei der Erstdiagnose erst 15 bis 35 Jahre alt. Das frühe Erkrankungsalter sowie die oft tabuisierten Symptome können erhebliche psychosoziale Probleme auslösen.
Bei der CU sind die oberflächlichen Schleimhautschichten des Kolons von einer chronisch rezidivierenden Entzündung betroffen. Die Erkrankung beginnt im Rektum und breitet sich unbehandelt kontinuierlich in proximal gelegene Kolonabschnitte aus. Mit einer Inzidenz von etwa 4/100 000 Einwohnern/Jahr sind etwa 165 000 Menschen in Deutschland erkrankt. Männer sind etwas häufiger betroffen. Typische Symptome sind krampfartige, oft im linken Unterbauch lokalisierte Schmerzen sowie kleinvolumige blutig-schleimige Durchfälle.
Der Morbus Crohn ist durch eine diskontinuierliche, segmentale Verbreitung der Entzündungsareale im gesamten Gastrointestinaltrakt gekennzeichnet; am häufigsten betroffen ist der Übergangsbereich vom Dünn- zum Dickdarm. Bei aktuell steigender Inzidenz von etwa 5 bis 7/100 000 Einwohnern/Jahr leben etwa 150 000 Patienten in Deutschland. Anders als bei der CU betrifft die Entzündung alle Wandbereiche der Mucosa. Die entzündliche Verdickung der Mucosa kann bei längerem Krankheitsverlauf zu Fistel- und Abszessbildungen führen, die oftmals eine Operation erfordern. Die wichtigsten Symptome sind starke Bauchschmerzen, Durchfälle, Gewichtsabnahme sowie eine Eisenmangelanämie.
Beide CED sind als systemische Gesamterkrankungen anzusehen, die die generelle Leistungsfähigkeit der Patienten beeinträchtigen. Neben den intestinalen entzündlichen Läsionen zeigen sich CED auch durch arthritische Gelenke, Entzündungen der Augen sowie Hautreaktionen.
Die Ursachen der CED sind unbekannt, wobei das Zusammentreffen einer genetischen Prädisposition mit verschiedenen externen Faktoren zum Ausbruch der Krankheiten führen kann. Die multifaktorielle Genese führt dann zu einer Fehlregulation des intestinalen Immunsystems. Als externe Ursachen gelten einerseits direkte Einflussfaktoren auf das intestinale Mikrobiom wie Ernährung oder überhöhte Hygienestandards, die eine normale Immunisierung reduzieren, andererseits aber auch psychologische Faktoren wie Stress. Rauchen verdoppelt die Inzidenz des MC. Aufgrund eines geografischen Nord-Süd-Gefälles der Krankheitshäufigkeit wird auch ein Mangel an Vitamin D als möglicher Faktor angesehen. Die insbesondere bei CU auftretende dauerhafte Entzündung des Kolons wirkt kanzerogen.
Pathomechanistisch liegt den CED eine Störung der intestinalen Barrierefunktion zugrunde. In der Folge dringen Antigene in das subepitheliale Gewebe, die Lamina propria, ein und aktivieren dort die zelluläre Immunabwehr (Abbildung 1). Mit der Präsentation bestimmter Antigene durch Makrophagen oder dendritische Zellen kommt es zur Aktivierung und Differenzierung von T-Lymphozyten (Grafik rechts oben).
Abbildung 1: Durch die defekte Epithelbarriere dringen Antigene in die Lamina propria ein und induzieren eine komplexe Aktivierungskaskade der zellulären Immunabwehr.
Proinflammatorische Zytokine sorgen dabei für die Kommunikation zwischen den Beteiligten der zellulären Immunabwehr. Diese Zytokine verursachen auch eine Rekrutierung von Leukozyten aus dem Blut- sowie Lymphsystem in das Entzündungsareal (rechts unten).
Hinzu kommt eine genetische Fehlregulierung durch bestimmte Mutationen. Beispielsweise haben etwa 50 Prozent der MC-Patienten Mutationen im NOD-2-Gen, das für einen Bakterienprodukte-Transporter codiert. Dadurch werden Bestandteile des eigenen Mikrobioms fälschlich als fremd erkannt. Als Ergebnis einer überaktivierten autoimmunen Entzündung kommt es zur dauerhaften Gewebeschädigung.
Aus pharmazeutischer Sicht bestehen aktuell vier mechanistische Optionen, hemmend in die pathologische Entzündung einzugreifen:
Auf diese Arzneistoffgruppen in der dargestellten Reihenfolge bauen die Leitlinien-konformen Therapiestrategien bei CED auf.
Ziel der Pharmakotherapie ist es, angepasst für den jeweiligen Patienten eine Remission der schubförmig auftretenden Beschwerden zu erreichen und diese möglichst lange zu erhalten. Längerfristig gesehen geht es um die Verhinderung von Komplikationen und operativen Eingriffen sowie die Senkung des Risikos für kolorektale Karzinome. Entsprechend der Leitlinien der ECCO (European Crohns and Colitis Organisation) sowie der DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) wird unterschieden in eine Therapie zur Remissionsinduktion und eine Remissions-erhaltende Therapie (1, 2).
Die für beide CED etablierten Therapieschemata sind in Abbildung 2 vereinfacht dargestellt. Unterschiede ergeben sich aus der abweichenden Lokalisation der Entzündungsherde bei CU und MC.
Aminosalicylate mit der aktiven Komponente 5-Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin) sowie ihre Derivate haben in unterschiedlichen galenischen Formulierungen eine entscheidende Bedeutung zur Remissionsinduktion milder oder mittlerer Schübe der CU (etwa 4 g/d) sowie beim Remissionserhalt mit niedrigeren Dosen (etwa 1 bis 2 g/d). 5-ASA wird im Epithelgewebe des Darms acetyliert und aktiviert in dieser Form den Transkriptionsfaktor (TF) Peroxisomal proliferator activated receptor γ (PPARγ). Dies beeinflusst die epitheliale Barrierefunktion positiv. Vor allem aber beruht die antiinflammatorische Wirkung auf der Hemmung des TF NFκB, der für die Zytokinproduktion in den inflammatorischen Zellen verantwortlich ist.
Schluss mit den quälenden Durchfällen – das wünschen sich CED-Patienten von ihrer Therapie.
Um eine lokal hohe Wirkstoffkonzentration im Darm zu erreichen, kann 5-ASA in Form magensaftresistenter Oralia oder rektal als Suppositorium, Klysma oder Rektalschaum verabreicht werden. Die Derivatisierung von Mesalazin (Dimerisierung zu Olsalazin oder Kopplung an Sulfapyridin im Sulfasalazin) verhindert ebenfalls eine frühe Resorption; erst im Kolon entsteht das lokal wirksame Mesalazin durch reduktive Spaltung mittels bakterieller Azoreduktasen. Zu den Nebenwirkungen von Mesalazin gehören Durchfall, Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen sowie Hautausschlag.
Mesalazin hat bei der Behandlung des MC keine Bedeutung und wird nur bei Entzündungsherden im Kolon angewendet.
Glucocorticoide (GC) werden generell als Erstlinientherapie zur Remissionsinduktion bei MC sowie bei stärkeren Schüben der CU und Nichtansprechen der Patienten auf 5-ASA eingesetzt. Um systemische Wirkungen zu vermeiden, findet insbesondere Budesonid (Beispiele: Entocort®, Budenofalk®) wegen des hohen First-pass-Effekts Anwendung. Bei dessen Unwirksamkeit wird Prednisolon verwendet. Prinzipiell versucht man, die GC lokal in Form von Rektalschaum oder Klysma oder in magensaftresistenten oralen Formen anzuwenden. Wichtig: GC dämpfen die Entzündung kurzfristig zwar sehr gut, sollen aber aufgrund ihrer Nebenwirkungen nicht länger als acht Wochen mit Ausschleichen der Dosierung angewendet werden. Sie induzieren selbst keine Mucosaheilung und auch keine Veränderung im Krankheitsverlauf.
Immunsuppressiva wie Azathioprin und dessen aktiver Metabolit 6-Mercaptopurin (6-MP) werden bei GC-refraktären Patienten mit CU eingesetzt und gehören, teilweise in Kombination mit GC, zur Erstlinienremissionstherapie von MC-Patienten. Methotrexat (MTX) wird insbesondere in Kombination mit TNF-α-Inhibitoren eingesetzt.
Tipp für die Apotheke: Eine aktuelle Studie (3) weist darauf hin, dass das Risiko eines nicht-melanomischen Hautkrebses unter der Therapie mit Thiopurinen verdoppelt ist. Daher sollte das Apothekenteam den Patienten auf strikten Sonnenschutz hinweisen.
Abbildung 2: Therapiestrategien zur Induktion und zum Erhalt der Remission bei Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
TNF-α-Inhibitoren haben die Therapie der CED in ihrem Anspruch und ihrer Perspektive positiv gewandelt. War bis zur Zeit der Biologicals das Bestreben auf eine Senkung der Schubaktivität und deren Symptome gerichtet, kann mit den TNF-α-Inhibitoren eine langfristige antientzündliche Aktivität im Darm und Heilung der Läsionen erreicht werden (nicht eine Heilung der Ursachen!). Von den in Europa zugelassenen fünf TNF-α-Inhibitoren sind drei Wirkstoffe in der Indikation CED anwendbar – aber erst als Zweitlinientherapie bei Versagen der GC sowie der Immunsuppressiva.
Infliximab (Remicade®) ist ein chimerer murin-humaner Antikörper gegen TNF-α, der bereits 1999 in Europa eine Zulassung zur Therapie des MC erhielt. Im engen Zeitabstand folgten Indikationserweiterungen für andere autoimmune Entzündungserkrankungen, so auch für CU. Infliximab wird zur Remissionsinduktion der CED alle 14 Tage mit einer Dosis von 5 mg/kg Körpergewicht intravenös (auch bei Kindern ab sechs Jahren) appliziert. Zum Remissionserhalt wird diese Dosis im sechs- bis achtwöchigen Abstand angewendet. Studien belegen eine Überlegenheit der Kombination mit Methotrexat gegenüber einer Monotherapie.
Tipp für die Apotheke: Seit Februar 2015 sind mit Inflectra® und Remsina® zwei Biosimilars zu Remicade®/Infliximab auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Biosimilars unterliegen nicht der Aut-idem-Regelung, sodass die Apotheker nicht eigenständig über den Austausch von Original und Biosimilar entscheiden dürfen.
Adalimumab (Humira®) ist ein humaner IgG1-Antikörper gegen TNF-α, der in Kombination mit Methotrexat oder als Monotherapie bei CED zugelassen ist. Für die Therapie wird Adalimumab subkutan 14-tägig mit einer Fixdosis von 40 mg appliziert, bei Bedarf wird eine höhere Initialdosis gewählt. Zum Erhalt der Remission wird Adalimumab individuell in verschieden langen Zeitabständen angewendet.
Patienten, die TNF-α-Blocker selbst injizieren, sollten sich die Spritztermine exakt notieren.
Golimumab (Simponi®) ist ebenfalls ein humaner IgG1-Antikörper gegen TNF-α, der 2013 die Zulassung zur Therapie der CU erhielt. Initial werden 200 mg subkutan appliziert, gefolgt von 14-tägigen Injektionen mit 100 mg. Für den Remissionserhalt hat sich eine Dosis von 50 mg monatlich als wirksam erwiesen.
Für die Auswahl der drei Präparate gibt es keine klare Präferenz. Aufgrund der intravenösen Anwendung favorisieren die Fachärzte offensichtlich Infliximab, dies in Kombination mit Methotrexat. Bei den beiden anderen Antikörpern überwiegt die Anwendung als Monotherapie. Als Nebenwirkungen werden vor allem infusions- oder injektionsbedingte lokale Reaktionen beschrieben. Die aus der TNF-α-Hemmung resultierende Immunsuppression der Patienten erfordert ein besonderes Monitoring.
Die TNF-α-Inhibitoren haben die Therapie der CED massiv verbessert. Insbesondere in der Langzeittherapie gelingt eine Mucosaheilung und damit eine Abschwächung der Spätfolgen der Erkrankungen. Jedoch spricht etwa ein Viertel der Patienten nicht adäquat auf die TNF-α-Inhibition an. Für sie eröffnete der Antikörper Vedolizumab im Mai 2014 nach erfolgreichen Zulassungsstudien (4, 5) eine neue Therapieoption.
Vedolizumab (Entyvio®) repräsentiert ein neuartiges Wirkprinzip in der Therapie der CED. Wie in Abbildung 3 dargestellt, wird die Emigration von Leukozyten aus dem Blutstrom heraus in das entzündete Gewebe durch Adhäsionsrezeptoren gesteuert. Die Blockade solcher Rezeptoren unterbindet die Kontaktaufnahme zum endothelialen Liganden und dadurch den Transmigrationsprozess in das Gewebe. Das Integrin α4β7 ist dabei besonders auf einer Subpopulation von Lymphozyten, den Memory-T-Helferzellen, exprimiert, die für den Fortgang der chronischen Entzündung im Darmgewebe verantwortlich sind. Vedolizumab ist ein humanisierter Antikörper gegen das Integrin α4β7; dieser verhindert die Lymphozytenbindung am Liganden MadCAM-1 auf dem Endothel und damit den Übergang in das Darmgewebe.
Vedolizumab ist zugelassen für MC- und CU-Patienten, die nicht auf eine TNF-α-Therapie ansprechen. Zu Beginn der Behandlung sowie nach zwei und sechs Wochen werden 300 mg Vedolizumab intravenös appliziert, gefolgt von achtwöchigen Abständen der Infusion. MC-Patienten sprechen tendenziell später auf den Antikörper an.
Abbildung 3: Die Wanderung von Lymphozyten aus der Blutbahn ins entzündete Gewebe ist ein komplexer Prozess. Maßgeblich beteiligt daran sind Integrine auf den Lymphozyten und ihre Liganden auf Endothelzellen. Vedolizumab blockiert bestimmte Integrine und verhindert so die Kontaktaufnahme.
Ganz neu ist dieses Wirkprinzip allerdings nicht: Der Antikörper Natalizumab wirkt in der Indikation Multiple Sklerose (auch Zulassung für MC in den USA) nahezu analog. Ein entscheidender Unterschied liegt in der Spezifität der Bindungsblockade. Natalizumab ist ein Antikörper gegen die Integrin-Untereinheit α4 und blockiert damit neben α4β7 auch das Integrin α4β1 (VLA-4), das unter anderem für den Übergang der Lymphozyten in das zentrale Nervensystem verantwortlich ist. Daraus resultieren starke immunsuppressive Effekte. Dies erklärt eine gefürchtete Nebenwirkung von Natalizumab, die progressiv multifokale Leukenzephalopathie (PML). Die von Adenoviren induzierte opportunistische Entzündung betrifft insbesondere das Gehirn und endet unerkannt und unbehandelt oftmals letal.
Bei allen klinischen Untersuchungen mit Vedolizumab ist bisher kein Fall einer PML aufgetreten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Nasopharyngitis, Fieber sowie Infektionen der oberen Atemwege.
Es kann resümiert werden, dass Vedolizumab eine hocheffiziente und generell gut verträgliche neue Therapieoption der CED darstellt. Aus diesem Grund wurde es von der PZ zum innovativsten Arzneistoff 2015 gewählt.
Patienten mit TNF-α-Inhibitoren sind immunsupprimiert. Dies kann auch für die Reiseberatung wichtig sein. Apotheker sollten den Patienten darauf hinweisen, dass ihr Impfstatus vor Therapiebeginn aktualisiert werden sollte. Während der Therapie ist eine Impfung mit Totimpfstoffen in der Regel problemlos, die Anwendung von Lebendimpfstoffen muss mit dem Facharzt geklärt werden. Aufgrund der erhöhten Infektionsanfälligkeit, zum Beispiel im Respirationstrakt, muss bei der Beratung zur Reisemedikation gegebenenfalls die Gefahr einer Tuberkulose angesprochen werden.
Aufgrund der (nicht signifikanten) Zusammenhänge der Anti-TNF-α-Therapie mit dem Auftreten von Malignomen der Haut sollten die Patienten auf strikten Sonnenschutz achten.
Eine Reihe aussichtsreicher Wirkstoffkandidaten befindet sich in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Entwicklung. Da die zelluläre Immunabwehr bei verschiedenen autoimmunen Entzündungserkrankungen in gleicher Weise fehlgesteuert ist, können auch bekannte Wirkstoffe oder Wirkprinzipien in die Indikation der CED übertragen werden. Dies zeigt das Beispiel der TNFα-Inhibitoren mit ihrem breiten Indikationsspektrum sehr eindrucksvoll.
Auch Ustekinumab (Stelara®) ist als Antikörper gegen IL-12 und IL-23 seit seiner Zulassung 2009 für die Behandlung der Plaque-Psoriasis und Psoriasis-Arthritis sehr gut etabliert. Derzeit laufen Phase-III-Studien zur Indikationserweiterung für MC und CU. Dies bestätigt die prinzipielle Analogie der hyperaktivierten Lymphozyten als pathologisches Moment bei Psoriasis und den CED. Zudem befinden sich Antikörper gegen IL-23 (BI 655066) sowie IL-6 (PF 04236921) für die Therapie des MC in klinischer Phase II.
Etrolizumab ist ein humanisierter Antikörper gegen die β7-Untereinheit der Integrine. Die klinische Phase II ist bereits erfolgreich abgeschlossen. Einen vergleichbaren Ansatzpunkt hat der Antikörper PF 00547659, der sich gegen den α4β7-Liganden MadCAM richtet. Gegenwärtig wird er in Phase II zur Therapie von MC und CU getestet.
Neben den Antikörpern werden auch verschiedene niedermolekulare Wirkstoffe für die Indikation CED entwickelt sowie bekannte Wirkstoffe für eine Indikationserweiterung untersucht:
GED0301/Mongersen repräsentiert ebenfalls einen neuartigen Wirkmechanismus in der CED-Therapie. Als oral verfügbares Oligonukleotid greift es auf Ebene der mRNA als Antisense-Wirkstoff in den Immunzellen ein und aktiviert den antientzündlich wirkenden Signalweg des TGF-β1. Erfolgreiche Phase-II-Studiendaten zur MC-Behandlung wurden 2015 veröffentlicht.
Gerd Bendas studierte Pharmazie an der Universität Halle, schloss mit dem Diplom ab und wurde 1994 promoviert. Im Jahr 2000 erfolgte die Habilitation für das Fachgebiet Pharmazeutische Chemie. Seit 2003 hat er die Professur für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn inne. Seine Forschungstätigkeit liegt schwerpunktmäßig auf der Untersuchung der molekularen Mechanismen der Metastasierung und der Chemoresistenz von Tumoren sowie therapeutischen Strategien zu deren Inhibition. Aktuell wird die Möglichkeit zur Hemmung von Chemokinen als Ansatzpunkt einer Einflussnahme auf Entzündungs- sowie Metastasierungsprozesse untersucht.
Professor Dr. Gerd Bendas, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Pharmazeutisches Institut, Pharmazeutische Chemie II, An der Immenburg 4, 53121 Bonn E-Mail: gbendas@uni-bonn.de
Das intestinale Mikrobiom, das heißt die Gesamtheit der im intestinalen Bereich siedelnden Mikrobiota, wird seit einigen Jahren in seiner physiologischen Relevanz sowie Beteiligung und Ursache für pathophysiologische Prozesse intensiv untersucht. Gegenwärtig arbeiten Forscher an der genetischen Sequenzierung der Mikroorganismen.
Bekannt ist, dass das intestinale Mikrobiom weit über die Darmgesundheit hinausgehende Effekte auch auf das Immunsystem entfaltet. Verschiedene Erkrankungen, aber auch bestimmte Ernährungsgewohnheiten verändern die Diversität der Mikroorganismen und somit die Intaktheit und Funktionalität des gesunden Mikrobioms.
Auch bei den CED ist die Diversität der Mikrobiota eingeschränkt. Dies lässt sich aber nicht so einfach im Sinn von »Gut und Böse« auf eine Mangelsituation einzelner sowie den Überschuss anderer Bakterienspezies abstrahieren. Nichtsdestotrotz erscheint die Normalisierung des intestinalen Mikrobioms langfristig auch für CED sehr Erfolg versprechend. Hierzu werden zwei Strategien verfolgt.
Durch die Gabe von Probiotika soll das Milieu der intestinalen Mikroorganismen direkt beeinflusst werden. Es gibt Hinweise, dass Probiotika bei der CU, nicht aber bei MC Phasen des Remissionserhalts zeitlich verlängern können, aber eine Signifikanz der beschriebenen Effekte existiert nicht.
Mit Stuhltransplantationen wird eine weitere Strategie verfolgt. Es ist bekannt, dass durch die Übertragung von Stuhlpräparationen Gesunder ein langfristiger Effekt auf das Mikromilieu des Darms beim Empfänger erzielt werden kann. Das Verfahren hat sich in den letzten Jahren als sehr erfolgreich bei der Behandlung von Patienten mit therapierefraktären Darminfektionen mit Clostridium difficile erwiesen. Inwieweit auch CED-Patienten von einer Stuhltransplantation profitieren, kann noch nicht umfassend beantwortet werden. Aktuelle Studien kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen (6, 7). Eine Metaanalyse verweist auf das zwar sichere Verfahren, aber auch auf die sehr variablen Ergebnisse und die Notwendigkeit weiterer Studien für eine höhere Aussagekraft(8).
Ein völlig anderer Ansatz fokussiert auf die Verbesserung der Barrierefunktion des Darmepithels. Es wurde nachgewiesen, dass bei CU-Patienten ein Mangel am Membranbildner Lecithin (Phosphatidylcholin) im Darm besteht, was zur defekten Barriere des Darmepithels beitragen soll. Man versucht daher, die Darmbarriere durch die orale Gabe von Lecithin in magensaftresistenter Form zu stabilisieren. Eine Phase-II-Studie zum Effekt von Phosphatidylcholin für CU-Patienten ist in Deutschland angelaufen.
Schmerz ist eine sehr häufige Begleiterscheinung der CED und tritt oft als erstes Symptom eines Schubes auf. Daher ist eine symptomatische Schmerztherapie für die Patienten oft unerlässlich. Wichtig zu wissen: Die klassischen NSAR sollen aufgrund ihres Risikopotenzials für gastrointestinale Schäden nicht angewendet werden. NSAR werden sogar als schubauslösend bei CED beschrieben. Empfohlen ist die moderate Anwendung von Paracetamol oder Metamizol oder die temporäre Gabe von Opioid-Analgetika.
Eine explizite Diätempfehlung für CED-Patienten gibt es nicht. Bei Gewichtsverlust ist eine gewichtssteigernde hochkalorische Ernährung angezeigt.
Komplementäre Therapien werden in den Leitlinien als Ersatz der klassischen Therapieprinzipien ausgeschlossen, als Ergänzung aber auf speziellen Patientenwunsch hin nicht negativ beurteilt. Genannt werden die Anwendung von Artemisia absinthum (Wermut) oder Boswellia serrata (Weihrauch) bei MC, wobei keine Evidenz für eine Wirkung besteht. /